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#MeToo - Bewegung, kein Hashtag


Wien, September 2019: Eine 25-jährige Frau besteigt die Straßenbahn und wird auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle von einem älteren cis (1) Mann begrabscht und sexuell belästigt. Nach dem ersten Schock schreit sie ihn an, die Passagiere rundherum reagieren nicht und daraufhin steigt sie an der nächsten Haltestelle aus.

Dieser Vorfall ist leider nur einer von vielen, der verdeutlicht, dass #MeToo nach wie vor von großer Bedeutung ist. Egal in welches Land oder auf welchen Kontinent wir blicken, überall lassen sich die gleichen strukturellen Gewalthandlungen finden: Vorwiegend cis Männer belästigen, missbrauchen und vergewaltigen Frauen*.

Zwei Jahre ist es nun her, dass das Hashtag #MeToo eine Debatte über sexuelle Belästigung auslöste und die Diskussion zumindest für eine Weile in die Mitte der Gesellschaft holte. Obwohl das Hashtag nach wie vor in aller Munde ist, scheint der Kontext dieser Worte oft vergessen zu werden, hört mensch sich Diskussionen rund um diesen an beziehungsweise kommt es auch nicht selten vor, dass sich darüber lustig gemacht wird.

Was ist daher der Kontext? Blicken wir zurück: Ende 2017 äußert sich eine große Zahl Frauen* in sozialen Netzwerken, um von selbst erlebten sexuellen Übergriffen und Missbrauch zu berichten. Dabei verwendeten sie das Hashtag #MeToo. Auslöser dafür war die Weinstein-Affäre. Der Filmmogul Harvey Weinstein nutzt(e) seine Macht aus, um Frauen* zu missbrauchen, zu vergewaltigen und danach ihre Karrieren zu zerstören, sollten sie es wagen, sich über die Gewalthandlungen zu äußern.

Daraufhin äußerte sich auch die Schauspielerin Alyssa Milano und teilte einen Beitrag auf Twitter, in dem sie offenbarte, dass sie ebenfalls sexuell missbraucht worden war, und forderte Opfer von sexueller Gewalt auf, das epidemische Problem durch eine Antwort mit „Me Too“, also „Ich auch“ zu verdeutlichen. Es ist wichtig zu betonen, dass hinter diesem Hashtag eine Bewegung steckt, die es bereits seit 2006 gibt. Gegründet wurde sie von der Schwarzen US-Bürger*innenrechtsaktivistin Tarana Burke, um Überlebende von sexuellen Übergriffen in benachteiligten Gemeinden der Stadt New York (wie Bronx oder Harlem) zu unterstützen. Tarana Burke betont, dass es darum geht den Fokus auf die Opfer dieser Gewalt zu legen und diese zu bestärken, ihnen klar zu machen, dass sie keinen Grund haben, sich für irgendetwas zu schämen, denn sie sind es, denen Leid angetan worden ist. Durch die „Kraft der Empathie“ soll es leichter werden mit Scham und Stigma, welche die Opfer oft empfinden, umzugehen. Tarana Burke selbst sagt, dass sie das Hashtag sehr schätzt, um Aufmerksamkeit für die Problematik zu schaffen, meint aber trotzdem, dass die Konversation über dieses hinausgehen sollte, da es eben keines ist, sondern eine Bewegung.

Nach wie vor wird „Opfer“ als Schimpfwort verwendet. Wir sollten über die Niederträchtigkeit davon nachdenken: Was steckt dahinter? Menschen, die tatsächlich Opfer von Gewalt sind oder wurden, werden dadurch abgewertet und das Ausmaß des Problems heruntergespielt

#MeToo hat ein allseits bekanntes Problem, endlich (!) benannt und dadurch Sichtbarkeit und zumindest mehr Bewusstsein dafür geschaffen. Doch es muss darüber hinausgehen.

Um es mit den Worten von Tarana Burke, die sich im Interview mit Democracy Now im Oktober 2017 wie folgt hierzu geäußert hat: "Der Grund, warum die Leute meinen Namen nicht kannten, ist, dass die Leute nicht darüber nachdenken, es sei denn, es passiert etwas Sensationelles. Was also passieren muss, ist, dass wir aufhören müssen, uns nur dafür zu interessieren, wenn jemand Berühmtes etwas tut. Wir müssen uns die realen Zahlen ansehen, die Menschen, die davon betroffen sind, die Survivors und strategisch denken. [..] Wir müssen demzufolge aufhören, nur anlassbedingt darüber nachzudenken, sondern es als etwas ansehen, an dem wir ständig arbeiten müssen.“

Denn:

#MeToo ist eine Bewegung, kein Hashtag.

(1) Cis bedeutet so viel wie „diesseitig“ und ist ein lateinisches Präfix das dafür verwendet wird, Menschen zu beschreiben, die sich sowohl körperlich als auch sozial in der geschlechtlichen Rolle wohlfühlen, die ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde.

Alexandra Mittermüller ist Kultur-& Sozialanthropologin, Research Fellow für die Menschenrechtsorganisation APDHA Cádiz und studiert zurzeit im Rahmen ihres Masters „Gender Studies“ an der Lund Universität in Schweden. Ihren privaten Blog findet ihr hier und mehr über sie erfahrt ihr hier.

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