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Alabamas und Georgias neue Abtreibungsgesetze: Recht einfach erklärt

Die US-Bundesstaaten Alabama und Georgia haben in der vergangenen Woche höchst umstrittene, stark verschärfte Abtreibungsgesetze beschlossen, die weltweit für Proteste sorgen. Auch in Kentucky, Mississippi, Ohio, Missouri, Arkansas und Utah wurden 2019 strengere Gesetze erlassen. Gerade für Kontinentaleuropäer ist es aufgrund der großen rechtlichen Unterschiede zu den Vereinigten Staaten oft schwierig, die Tragweite solcher Entscheidungen genau einzuschätzen. Was genau beinhalten also die kürzlich beschlossenen Gesetze der einzelnen Bundesstaaten? Wie könnten sie wirken und welche Möglichkeiten kommen infrage, ihr Inkrafttreten zu verhindern?

Werfen wir zuerst einen genaueren Blick auf den Inhalt des umstrittensten neuen Abtreibungsgesetzes, das vom Repräsentantenhaus Alabamas letzte Woche beschlossen wurde: der sogenannten ‚Alabama Human Life Protection Act‘.

Das Gesetz stellt im Wesentlichen die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzt*innen in jedem Stadium der Schwangerschaft unter Strafe. Eine Ausnahme davon besteht ausschließlich dann, wenn die Gesundheit der Mutter durch die Schwangerschaft ernstlich bedroht ist, d.h. wenn entweder der Tod oder der Verlust wesentlicher Körperfunktionen droht.

An dieser Stelle ist es wichtig, darauf hinzuweisen, in welchen Fällen ausnahmslose Strafbarkeit besteht: nämlich bei Vergewaltigung, Inzest oder zum Beispiel Unmündigkeit der Mutter. Das Gesetz ist somit im internationalen Vergleich enorm restriktiv. Bestraft werden können Ärzt*innen, die einen nach dem Gesetz illegalen Schwangerschaftsabbruch durchführen. Allerdings könnten Frauen in Zukunft für einen selbst eingeleiteten Schwangerschaftsabbruch strafverfolgt werden, da in den meisten Südstaaten auch Gesetze für den Mord an Föten bestehen, von denen Mütter nicht immer ausgenommen sind.

Ein vollendeter Schwangerschaftsabbruch gilt in Alabama als Class A Felony und ist dem Gesetz zufolge mit nicht weniger als 10 und nicht mehr als 99 Jahren Haft zu bestrafen. Ein versuchter Schwangerschaftsabbruch gilt als Class C Felony und ist mit nicht weniger als einem Jahr und nicht mehr als 10 Jahren Haft zu bestrafen.

Die vor kurzem in Georgia, Kentucky, Mississippi, Ohio und Missouri beschlossenen Gesetze sind ähnlich restriktiv. In diesen Bundesstaaten wurden sogenannte ‚heartbeat bills‘ eingeführt. Dieser verbietet Ärzt*innen die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nach der sechsten bis achten Schwangerschaftswoche, in der üblicherweise ein Herzschlag des Embryos festgestellt werden kann. Strafbar ist in allen Fällen wieder der/die durchführende Ärzt*in, bzw. unter Umständen auch eine betroffene Frau, die eine Abtreibung selbst vornimmt. Zwar ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht wie in Alabama von Tag 1 an verboten, viele Frauen wissen allerdings in den ersten Wochen noch nicht einmal von ihrer Schwangerschaft.

Wie in Alabama besteht auch in den vorgenannten Bundesstaaten eine Ausnahme von der Strafbarkeit, wenn der Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer ernstlichen Gefährdung der Gesundheit der Mutter erfolgt. Ausnahmen für Vergewaltigung oder Inzest gibt es allerdings nur in Georgias Gesetz.

Festzuhalten ist, dass in vielen Südstaaten schon seit den 70ern Gesetze existieren, die legale Schwangerschaftsabbrüche praktisch nahezu unmöglich machen. Diese Gesetze konnten aber damals de facto nicht in Kraft treten: der Supreme Court entschied 1973 im kontroversen Fall Roe vs. Wade, dass das generelle Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gegen das Recht auf Privatsphäre und das Postulat der Rechtssicherheit des 14. Verfassungszusatzes der US-Verfassung verstoße. Somit erklärte der Supreme Court alle Bundesgesetze, die Schwangerschaftsabbrüche generell verbaten, für verfassungswidrig und folglich für unwirksam. Die Entscheidung gibt weiters vor, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur Lebensfähigkeit des Fötus ohne Vorliegen bestimmter Gründe vorgenommen werden dürfen, allerdings kann der Bundesstaat sie ab der 24. Schwangerschaftswoche verbieten. So viel also zum Status Quo.

Doch wieso beschließen viele Bundesstaaten gerade jetzt neue Abtreibungsgesetze, wenn doch laut Supreme Court derartige Regelungen als verfassungswidrig gelten?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich die Funktionsweise des Supreme Courts etwas genauer ansehen. Dieser besteht aus acht Richter*innen und einer*m Vorsitzenden, die vom Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt werden. Es ist für Präsidenten üblich, Richter*innen in den Supreme Court zu erheben, deren politische Gesinnung der Parteilinie entspricht. Demzufolge wurden vom aktuellen Präsidenten Donald Trump zuletzt zwei als konservativ geltende Richter benannt. Dadurch besteht momentan eine konservative Mehrheit von 5:4 am Supreme Court. Das macht es wahrscheinlicher, dass die Roe vs. Wade Entscheidung von 1973, sollte sich eine Gelegenheit dazu ergeben, umgestoßen werden könnte. Tatsächlich hatte Donald Trump im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 sogar versprochen, Richter*innen zu benennen, die das Urteil von 1973 kippen würden.

Und genau auf den Umstoß von Roe vs. Wade zielen die neuen, verschärften Abtreibungsgesetze in Alabama, Georgia, Missouri und weiteren US-Bundesstaaten ab, wie es auch schon von Mitgliedern der Repräsentantenhäuser bestätigt wurde. Denn Organisationen wie Planned Parenthood haben bereits eine Anfechtung bei Gericht angekündigt. Der Rechtsstreit, der mit Sicherheit Jahre andauern wird, könnte im Wege der Berufung schlussendlich vom Supreme Court entschieden werden. Möglicherweise könnte die Entscheidung anders als bisher ausfallen, und strengere Abtreibungsgesetze könnten für mit der Verfassung vereinbar erklärt werden.

Dass das Roe vs. Wade Urteil in seiner Gänze gekippt wird, wird von US-amerikanischen Rechtsexperten bezweifelt, jegliche Prognosen sind allerdings eher Kaffeesatzleserei. Als wahrscheinlich gilt, dass weitere Löcher in den Schutz des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch gebohrt werden könnten. Schon in den letzten Jahren hat der Supreme Court Einschränkungen wie eine verpflichtende Beratung gegen Abtreibung oder eine ‚Bedenkzeit‘ von 24h vor Vornahme des Schwangerschaftsabbruches für verfassungskonform erklärt. Auch das Verbot öffentlicher Finanzierung von Abtreibungen gilt als verfassungskonform. Dass diese Entwicklung fortschreiten wird, ist angesichts der momentanen Besetzung des Supreme Courts wohl zu erwarten.

Allerdings gewinnen Pro-Choice Bewegungen durch einen Rechtsstreit vor allem Zeit für betroffene Frauen. Denn solange sich Gerichte mit der Gültigkeit des Gesetzes befassen müssen, kann es auch nicht durchgesetzt werden. Es ist unklar, ob und wann der ‚Alabama Human Life Protection Act‘ und ähnliche Gesetze tatsächlich in Kraft gesetzt werden. Alle von den Südstaaten beschlossenen Regelungen sind – bis der Supreme Court dies revidiert – momentan noch verfassungswidrig und deshalb nicht vollstreckbar.

Schlussendlich bleibt zu hoffen, dass der Supreme Court gegebenenfalls seine institutionelle Legitimität als unabhängiger Gerichtshof hochhalten wird, und nicht aufgrund eines Regierungswechsels eine Entscheidung, die schon seit 50 Jahren immer wieder bestätigt wird, aus ideologischen Gründen kippt. Noch wichtiger ist allerdings der verantwortungsvolle Umgang mit legalem Schwangerschaftsabbruch, der in den Köpfen vieler Menschen als ein wesentliches Menschenrecht verankert ist.

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