top of page

Warum ihr wissen solltet, wer Johanna Dohnal ist


Kürzlich erschien der Dokumentarfilm “Die Dohnal” in den österreichischen Kinos, der uns in Ausschnitten das einzigartige Wirken der österreichischen feministischen Politikerin Johanna Dohnal in Erinnerung ruft.

Die Regisseurin Sabine Derflinger setzt der Politikerin filmisch ein Denkmal, und lässt ihr damit einhergehend die Anerkennung zukommen, die ihr zu Lebzeiten zumeist verweigert wurde. Denn obwohl sie maßgeblich für die wesentlichen Errungenschaften in der österreichischen Frauen*politik verantwortlich ist, wissen viele nach wie vor nicht, wer Johanna Dohnal ist. Der Film wirkt entgegen dem Vergessen und zeigt auf erschütternde Art und Weise den Kontrast der Politik einer Johanna Dohnal, die stets klare Worte für die Problematiken der Zeit fand, sich stets positionierte und sich somit stark von der heutigen, klar anti-feministischen “Frauen”Politik abgrenzt, (..die nur zum Thema wird, wenn sie für rassistische, diskriminierende Zwecke instrumentalisiert und das Patriarchat im Ausland verortet werden kann. Aber das ist ein anderes Thema.)

Interessant erscheint der historische Kontext in den Johanna Dohnal hineingeboren wurde und der sicherlich Auswirkungen auf ihr feministisches Bewusstsein hatte: Sie wird als Johanna Dietz am 14. Februar 1939 in Wien, in der “Ostmark”, wie Österreich damals hieß, geboren. Als Teil des Deutschen Dritten Reiches war die Rolle von Frauen zu dieser Zeit ganz klar als Mütter und Hausfrauen definiert. Verhütungsmittel waren illegal, für kinderlose Ehepaare gab es Strafzölle, und für Mädchen war der Zugang zu Gymnasien beschränkt.

Da ihre Eltern nicht verheiratet waren, war nicht ihre Mutter, sondern das Jugendamt ihr Vormund. Aufgrund der Tuberkulose-Erkrankung der Mutter verbringt sie viel Zeit bei ihrer Großmutter oder in Kinderheimen. Das Geld reichte nur für das Allernötigste. 1953 beginnt sie eine Lehre als “Industriekaufmann” in einer Kunstharzpresserei und ist das erste Mädchen im Betrieb. 1956, im Alter von 17 Jahren schließt sie sich der sozialdemokratischen Partei an. Ab 1972 wird die Politik zum Hauptberuf und sie wird Wiener Landesfrauensekretärin der SPÖ und Mitglied des Bundesparteivorstandes.

Johanna Dohnals Vermächtnis

“Die Vision des Feminismus ist nicht eine “weibliche Zukunft”. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.”

(Johanna Dohnal, Gastvortrag an der Technischen Universität Wien, WIT-Kolloquium 22. März 2004)

Als Gemeinderätin politisiert sie sich zunehmend, wenn es um sogenannte Frauenfragen geht. Vor allem in der Debatte um die Legalisierung der Abtreibung sensibilisiert sie sich 1973 stark und wird zur wesentlichen Figur. Ab 1. Jänner 1975 ist ein Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten 12 Wochen in Österreich straffrei möglich, bleibt jedoch im Strafgesetzbuch. (Dieses Gesetz gilt nach wie vor.) Des Weiteren kämpft sie für eine Ausweitung der Sozialdienste, macht sich für eine Sexualaufklärung in den Schulen stark, führt Workshops und Seminare für die Stärkung des Selbstvertrauens für Frauen ein, und startet eine Kampagne zur Förderung von Mädchen in technischen Berufen. Mit Vertreterinnen der autonomen österreichischen Frauenbewegung realisiert sie das Projekt der Frauenhäuser und infolgedessen öffnet 1978 das erste Frauenhaus in Wien seine Tore. Dabei bleiben die Frauenhäuser autonom, sind jedoch ein fixer Bestandteil des Budgets der Stadt Wien.

1979 wird sie von Bundeskanzler Bruno Kreisky als “Staatssekretär” für allgemeine Frauenfragen in die Regierung geholt. (Erst 9 Jahre später konnte sie sich offiziell als StaatssekretärIN bezeichnen.) Ab 1990 ist Dohnal die erste Frauenministerin der Republik Österreich. Nachdem sie 1995 von Bundeskanzler Franz Vranitzky “gegangen worden ist”, beendete sie zwar ihre offizielle politische Karriere, doch blieb sie Zeit ihres Lebens politisch aktiv und engagiert. So engagierte sie sich für das erste Frauenvolksbegehren 1997, hielt Reden und lehrte an den Universitäten Wien und Innsbruck.

Dohnal erkannte früh, dass eine eigenständige ökonomische Existenzsicherung aller Frauen* maßgeblich ist, um eine Gleichstellung der Geschlechter zu ermöglichen. Sie wollte Frauen* ermutigen und bestärken, mehr zu wollen und auch einzufordern. Im Februar 2010 stirbt Johanna Dohnal im 72. Lebensjahr im Beisein ihrer Frau Annemarie Aufreiter.

Weitere wesentliche Errungenschaften, die auf ihr Wirken zurückzuführen sind: [diese Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit]

  • Das Recht der Frauen arbeiten gehen zu können, ohne vorher die Erlaubnis des Ehemanns einholen zu müssen.

  • Abschaffung des Mannes als Familienoberhaupt

  • 1989: Alleinerziehende sind Vormund ihrer Kinder.

  • 1989: Vergewaltigung in der Ehe wird strafbar.

  • 1983: Elternkarenz. Es wird möglich, dass sowohl Mütter als auch Väter Karenzgeld beziehen können. Vorher war dies nur für Frauen möglich.

  • 1993: Aufhebung des geschlechtssegregierten Werkunterrichts.

  • 1997: Wegweisungsrecht. Erstmals war es möglich gewalttätige Partner der Wohnung zu verweisen und dies unabhängig vom Eigentumsverhältnis.

  • Quotenregelung im öffentlichen Dienst

Es ist kaum möglich ihr Wirken und ihre Bedeutung für Österreich in einem Artikel zusammenzufassen. Eines ist sicher: Ihr Rückgrat, ihre Menschlichkeit und die damit verbundenen klaren Positionierungen fehlen in der österreichischen Politlandlandschaft sehr.

Nachstehend sollen noch einige ausgewählte Zitate ihre prägnante politische Einstellung und die doch erschreckende Aktualität der gleich gebliebenen oder zurückgekehrten Problematiken veranschaulichen (http://johanna-dohnal.at/zitate; Homepage verwaltet von SPÖ Bundesfrauen).

“Das gegenwärtige Wiedererstarken männlicher Werthaltungen und traditioneller Rollenbilder geht einher mit Xenophobie, Nationalismus, Sexismus und Sozialabbau, mit dumpfem Populismus und Provinzialismus, mit Militarismus und der Aushöhlung von Rechtsstaatlichkeit.”

(Auftaktmatinee zu 16 Tage NEIN zu Gewalt an Frauen, 25.11.2001, Schauspielhaus Wien)

“Ich gehöre jedenfalls zu jenen, die nicht aufhören werden, die Einrichtung von Ganztagsschulen, und zwar in der Form der Integrierten Gesamtschule, zu fordern, denn erst die Zusammenführung dieser beiden Schulformen ermöglicht optimal, allen Kindern in der Schulbildung die gleichen Chancen einzuräumen."

(Rede im Wiener Gemeinderat, 25.10.1974)

"Solange mehrheitlich Männer darüber entscheiden können, was für Frauen, Kinder und sie selbst gut ist, wird es die erforderlichen substanziellen Quantensprünge nicht geben."

(Bundesfrauenkonferenz der SPÖ 1995)

“Die Jubelmeldungen über das Ende des Patriarchats durch den Vormarsch der Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen sind als das zu verstehen, was sie sind: Propaganda der Patriarchen und Postfeministinnen.”

(15 Jahre Feministisches Frauengesundheitszentrum Trotula, 16.10.2004)

“Um die Unabhängigkeit für Frauen zu gewährleisten, brauchen wir ein Sozialversicherungssystem, das vom Familienstand unabhängig ist, und wo für alle Menschen - für Männer und Frauen - ein eigener, grundlegender Pensionsanspruch besteht.”

( Podiumsdiskussion , 1. Dezember 1988, Institut für Wissenschaft und Kunst Wien)

“Machtverhältnisse sind weder geschichtslos noch geschlechtsneutral.”

(Eine andere Festschrift)

"Für Frauen ist der vorgeblich sichere Hort der Familie ein sehr gefährlicher Platz: das Ausmaß an tätlicher Gewalt im privaten Zusammenleben ist ein unvorstellbar großes."

(UN-Menschenrechtskonferenz, Wien 18. Juni 1993)

"Der Boden, auf dem sexuelle Ausbeutung und Versklavung von Frauen gedeihen, ist die rechtliche und ökonomische Benachteiligung von Frauen."

(Johanna Dohnal, 28. Kongress der International Abolitionist Federation, 3. September 1984)

"Wir müssen offen Stellung beziehen gegen alle Hetze und Diffamierung von Menschen und Minderheiten. Wir müssen die Demokratie vor Demontierern schützen."

(anlässlich des Ausländer-Volksbegehrens der FPÖ, 1993)

Alexandra Mittermüller ist Kultur-& Sozialanthropologin, Research Fellow für die Menschenrechtsorganisation APDHA Cádiz und studiert zurzeit im Rahmen ihres Masters „Gender Studies“ an der Lund Universität in Schweden. Ihren privaten Blog findet ihr hier. https://anthroheart.wordpress.com/

Mehr über Alexandra Mittermüller findet ihr hier.

bottom of page