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Männer sollten Feministen sein...

…denn Feminismus ohne Männer ist todlangweilig

Caitlin Moran fordert in Ihrem Buch „How to be a woman“ Frauen dazu auf, auf einen Stuhl zu steigen und lauthals „Ich bin eine Feministin“ zu schreien. Ein paar Zeilen später schreibt sie dann: Ein männlicher Feminist gehört zu den großartigsten Geschöpfen, die die Evolution je hervorgebracht hat. Als männlicher Feminist müssen Sie sogar auf einem Stuhl stehen – damit wir Damen unsere Champagnergläser auf Ihr Wohl erheben können, bevor wir uns lustvoll auf Sie stürzen.

Nun, ich bin männlich. Männlich und weiß. Das Schicksal meinte es gut mit mir. Ich gehöre der Mittelschicht eines reichen europäischen Landes an und habe das große Privileg kostenlose Bildung zu genießen. Und das, obwohl ich aus einer ländlichen Arbeiterfamilie komme. Doch vielleicht weiß ich dieses Privileg gerade deshalb so zu schätzen.

Mir fehlt es wahrlich an nichts…außer an einem Stuhl auf den ich steigen könnte. Während ich das hier schreibe sitze ich zwar gerade auf einem, doch es ist ein Drehstuhl und aus Erfahrung weiß ich, dass es keine gute Idee ist auf einen Drehstuhl zu steigen und wild gestikulierend emotionale Äußerungen von sich zu geben. Deshalb schreibe ich. Und ich habe möchte einen wohlüberlegten Satz mit Ihnen teilen:

ICH BIN EIN FEMINIST.

Ja, das stimmt schon so. Ich bin ein weißer, aus der Mittelschicht stammender Mann und ich bin ein Feminist. Und ich finde, dass alle Männer da draußen Feministen sein sollten. Generell jede und jeder, egal welchen Geschlechts, sollte Feministin oder Feminist sein. Denn Feminismus tut uns gut. Feminismus bezeichnet das Streben nach gleichen Rechten für Männer und Frauen. Punkt. Aus. Nichts weiter.

Männer sollten Feministen sein, weil Feminismus auch uns Männern hilft. Denn, seien wir uns ehrlich, Männlichkeit ist kein Ideal, Männlichkeit ist ein Zwangskorsett. Es ist einfach ein Mann zu sein. Dazu braucht es lediglich ein wenig Hilfe von Mutter und Vater Natur; ein X und ein Y Chromosom. Die Chancen liegen in etwa bei 50%. Es ist aber bedeutend schwieriger männlich zu sein! Männlichkeit ist nicht angeboren, sie wird uns Jungen im Kleinkindalter aufgedrückt und wir haben zu dieser frühen Zeit in unserem Leben noch keine eigene Meinung darüber, ob uns das gefällt oder nicht. Männlichkeit bedeutet stark, emotionslos, pragmatisch, allzeit vernünftig und rational handelnd, überzeugender und mächtiger als das (männliche) Gegenüber zu sein; gut auszusehen, Sixpack und ansprechender Bizeps inklusive. Das komplette Paket an Männlichkeit eben. Wobei das Aussehen noch eher zweitrangig ist, solange wir männlich sind. Denn Männlichkeit ist das soziale Ideal. Als solches wird Männlichkeit auch entsprechend belohnt: Machtposition, höheres Einkommen, Autorität, Respekt – ganz einfach ein höheres soziales Standing. Klingt doch schön, oder? Wäre doch schön, wenn wir alle männlich sein könnten, Männer und Frauen. Deshalb drängen wir Frauen in männliche Ideale und reden dann von Gleichberechtigungsmaßnahmen. Ich leide mit den Frauen. Sie werden von einem Korsett in das andere gesteckt und können es dennoch niemanden recht machen. Denn Hosenanzüge als weibliches Pendant zum männlichen Anzug lösen das Problem nicht. Männlichkeit löst das Problem nicht.

Denn Männlichkeit ist Teil des Problems. Doch nicht nur Frauen leiden darunter. Auch wir Männer leiden in diesem Zwangskorsett namens Männlichkeit. Wie oft bekommen wir in unserer Kindheit zu hören „du bist ein starker Junge“, „richtige Männer weinen nicht“, „sei doch kein Mädchen“. Ich fordere hier keine Welt voller Heulsusen, doch manchmal muss es einfach sein und das ist gut so. Weinen ist ein natürliches Ventil. Tränen helfen beim Stressabbau und sind doch um so vieles friedvoller als wenn sich all die zwanghaft aufgestauten und unterdrückten Gefühle dann plötzlich in unkontrollierten Aggressions- und Wutausbrüchen ergießen. Manchmal hilft auch einfach schon darüber sprechen. Über Gefühle reden. Sagen, was Mann am Herzen liegt und auf der Zunge brennt. Doch wir Männer lernen das nie. Wir müssen stark und distanziert sein. Natürlich gibt es Ausnahmen. Glücklicherweise immer mehr. Emotionen sind menschlich. Ständig gefühlslos, pragmatisch, vernünftig und stark zu sein ist doch ungemein anstrengend und ernüchternd. Männlich zu sein ist anstrengend.

Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass mich die Farbe Blau männlicher macht. Nicht in meiner Kindheit und auch nicht jetzt. Genauso wenig finde ich, dass mich die Farbe Pink weiblicher macht. Zugegeben, es gibt Pinktöne, die sind einfach grässlich. Ebenso gibt es Blautöne, die unerträglich sind. Das Cover der deutschen Ausgabe von „How to be a woman“ kombiniert beide, weshalb das Buch auch einen ganz besonderen Platz ganz weit hinten in meinem Buchregal bekommen hat. Auch meine beiden 2-jährigen Neffen interessiert es ganz und gar nicht welche Farbe ihr Spielzeug hat. Am liebsten haben sie es bunt. Im besten Fall macht es auch noch Geräusche und selbstverständlich jede Menge Spaß. Dank zweier älterer Schwestern hatte ich in meiner Kindheit eine große Auswahl an Spielsachen und ich habe mit allen möglichen Sachen, Personen und an allen Orten gespielt. Autos, Lego, Puppenküchen, Barbies, anderen Kindern, Erwachsenen, Mädchen, Jungen, draußen, drinnen, das volle Programm.

Zugegeben, meine Beispiele wirken womöglich ein wenig plump und banal, doch das ändert nichts an ihrer Aussagekraft. Die soziale Vorstellung von Männlichkeit schränkt uns Männer in unseren Freiheiten ein, auch wenn viele es vielleicht (noch) nicht bewusst wahrnehmen. Männlichkeit ist anstrengend und macht nur wenig Spaß. Deshalb kann Männlichkeit kein erstrebenswertes Ideal sein. Manche werden sich an dieser Stelle vielleicht denken: Naja, und jetzt? Wenn Weiblichkeit bekanntlich benachteiligt wird, aber auch Männlichkeit kein wünschenswertes Ideal ist, was dann? Dann lasst uns doch beides hinterfragen, Weiblichkeit UND Männlichkeit. Geben wir dem Feminismus eine Chance uns aus dem Schlamassel rauszuziehen. Wenn Weiblichkeit und Männlichkeit gleichermaßen einschränkend und problematisch sind, dann probieren wir es doch mit Menschlichkeit. Behandeln wir Frauen und Männer gleich. Behandeln wir alle Geschlechter gleich. Behandeln wir uns doch ganz einfach alle als das, was wir sind – Menschen, gleich an Würde und Wert. Keiner ist besser als der andere, aber jeder Mensch ist besonders.

Männer und Frauen, steigt auf eure Stühle und erhebt eure Stimmen für mehr Menschlichkeit. Denn am Ende sind wir doch alle Feminist_Innen, ob wir wollen oder nicht.

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