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GTA V: Auch nur Alltagssexismus

Originalbeitrag vom 14.04.2015 zur Verfügung gestellt von mokant.at

Ein feministischer Artikel zu GTA V? Alle Alarmglocken läuten, Gamer schreien auf, manche Frauen seufzen genervt – kennt man alles schon, will doch keiner mehr lesen, ist alles nur übertriebenes Gefasel. GTA V ist einfach nur ein Spiel, lasst die Leute doch einfach ihren Spaß haben. Prinzipiell kein Problem, aber „Leute“ nimmt doch Frauen mit ein – haben Frauen da auch ihren Spaß, ganz nüchtern betrachtet? Mal sehen.

Mit tatkräftiger Unterstützung eines geübten Gamers erkunden wir also die Welt. Das Spiel ist erst einige Stunden angespielt, der Gamer betont wieder und wieder, dass wir hier noch nicht allzu viel sehen, dass man eigentlich Tage lang spielen müsste, um einen absolut korrekten Eindruck von dem Spiel, dem Spiel der Spiele, zu bekommen. Die Spielewelt ist gigantisch, quasi ein Second Life, da gibt es so viel, das wir nicht sehen werden. In Ordnung, ist notiert – let’s drive!

Catcalls und Klischees

Die erste ganz grundlegende Frage stellt sich gleich zu Beginn. Wir stoßen hinzu, als der Gamer einen der Hauptcharaktere, Franklin, spielt. Wer die anderen sind? Michael und Trevor – also keine Frau zur Auswahl. Das ist ein Test, den heutzutage viele Videospiele nicht bestehen, und obwohl immer mehr Spieleentwickler Wert darauf legen, Frauen als Spieleoption bereitzustellen, gibt es einfach zu viele, die das nicht tun. Die Tatsache, dass eine Institution von Spiel wie Grand Theft Auto, die doch so auf Multikulturalität achtet, dies nicht ansatzweise anbietet, erscheint traurig. Man denke da an die Massen an weiblichen Gamern, die laut The Guardian die Hälfte aller Gamer insgesamt ausmachen, die hier schlichtweg nicht die Möglichkeit haben, ihr eigenes Geschlecht zu spielen. Viele Mädchen stört das aber gar nicht, meint der Gamer hier. Manche aber vielleicht schon – die Auswahl zu haben, scheint wohl zu viel verlangt.

In den ersten fünf Minuten gibt es schon den ersten Catcall des Hauptcharakters an eine spärlich bekleidete Frau. Kein guter Anfang; unser Gamer verspricht, das war ein blöder Zufall. Wir lernen die Familie des anderen Hauptcharakters, Michael, kennen. Seine Frau hat eine Affäre mit dem Tennislehrer, seine Tochter fällt dem Vater auf die Nerven, indem sie mit sämtlichen Berühmtheiten der Stadt schläft. Ein Seufzen folgt – die einzigen Frauen derzeit nichts als sexualisierte Nebencharaktere, die sich nicht mal über ihre Sexualleben entscheiden dürfen? Aber halt, ruft der Gamer, denn das Spiel nimmt sich selbst nicht ernst, es ist reine Satire.

Versteckte Satire

Und unerwarteterweise wird bald klar: Er hat recht. Das GTA V Universum nimmt die westliche Gesellschaft, zumindest die nordamerikanische, laufend aufs Korn. Es gibt zynische Radiowerbungen, die Schönheitschirurgie übertrieben verherrlichen und so gleichzeitig kritisch beleuchten, und das ist nur ein Beispiel von vielen gesellschaftskritischen Kommentaren. Hier ein Seitenhieb auf Starbucks, da ein Bemerkung über McDonald’s. Der Gamer meint, dass der Zugang an Frauen hier eingeordnet werden kann. Der Stripclub, dem wir im Laufe des regulären Gameplays begegnen, sei ebenfalls einfach überzogen. Jeder, der Hirn im Kopf habe, sehe das. Normale Medien dürfe man doch auch nicht einfach so konsumieren, man müsse alles hinterfragen. Es sei hier Holschuld, nicht Bringschuld. Und er hat prinzipiell recht, doch die Frage, die sich hier stellt, ist: Tun dies alle GTA V Spieler? Schütteln sie wissend den Kopf, wenn Frauen vor allem in sexuellen Kontexten vorkommen, oder nehmen sie es kommentarlos, gedankenlos hin?

Aktive Frauen? Na ja.

Das Spiel ist eine Zeit lang angespielt, die Spannung baut sich langsam auf, bald geht der erste „heist“, der erste Raubüberfall, los. Außer im Hintergrund auf der Straße, in typischen Rollen wie als Verkäufern oder als Nebencharaktere, sucht man hier Frauen vergeblich, findet sie schon gar nicht in aktiven Positionen. Erst als sich Michael sein Team für den Überfall zusammenstellt, besteht die Möglichkeit, eine Frau als Hackerin einzustellen. Wenn wir ganz streng wären, könnten wir uns über die Tatsache beschweren, dass sie als Hackerin die einzige im Team ist, die nicht aktiv am Raub beteiligt ist, sondern den Stubenhocker-Job hat. An diesem Punkt sollten wir uns allerdings darüber freuen, dass eine Frau überhaupt zur Auswahl steht. Der Gamer entscheidet sich trotzdem für einen männlichen Hacker; die Frau hat zwar die beste Kompetenz, kostet aber am meisten. Während des Raubüberfalls bereut er dies jedoch, denn der billigere Hacker war nicht gut genug, hat die Polizei nicht lang genug vom Tatort fernhalten können. Man hat das Gefühl, die Spielemacher sind nicht völlig ignorant.

Möchtegern-Feminismus

Die Vorsicht zum Thema wird klarer, je länger man im Spiel ist. Der Gamer hat Recht, man versteht das Spiel und die Entwickler dahinter besser, je länger man dabei ist. In manchen Belangen ist die Mühe klar sichtbar: Frauen wie Männer werden zum Beispiel in allen Größen, Formen und Hautfarben gezeigt. Es gibt Models wie Durchschnittsbürger, in dick und dünn und leicht bekleidet wie angezogen. Das kommt unerwartet, Hut ab – obwohl dies natürlich eigentlich selbstverständlich sein sollte. Erfreulicherweise gibt es sogar einen Catcall einer Frau an einen Mann! Zumindest wird gleichberechtigt sexualisiert. Und später äußert sich einer der Hauptcharaktere sogar frauenfreundlich – auf den ersten Blick. Der verrückteste der drei spielbaren Charaktere, Trevor, reagiert entnervt, als sein Freund ein Mädchen „Bitch“ nennt. Bitch sei ein respektloses Wort, so solle man keine Frau nennen. Ein Ausspruch wie dieser scheint beinahe wie eine Erleuchtung, bis Trevor fragt: „Hast du keine Mutter?“ Da verfliegt die Freude so schnell, wie sie gekommen ist. Kennen wir es nicht alle, das möchtegern-feministische Argument? Hast du keine Mutter/Schwester/Cousine? Der Respekt der Frau als Person ist egal, es geht um die Mutter des Mannes.

Es ist dieses Beispiel, das GTA V und seinen Sexismus perfekt zeigt. Wider aller Erwartungen gibt es durchaus Lichtblicke, wie weibliche Hackerinnen und durchschnittlich aussehenden Frauen. Tatsächlich beschreibt das Spiel einfach nur den Alltag einer jeden Frau in der westlichen Welt im groß-programmierten Stil. Man begegnet Idioten und man begegnet beinahe feministischen Männern – unter dem Strich bleibt die Welt eine patriarchalische. Resumé ist also: GTA ist sexistisch, ja, aber auch nicht sexistischer als die echte Welt.

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