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HEFORSHE IM GESPRÄCH MIT MAXIMA

Für die Juni-Ausgabe der maxima beantworteten die Obmänner der beiden HeForShe Vereine in Österreich, Gerhard Wagner (HeForShe Vienna) und Bernhard Maria Wimmer (HeForShe Graz), Fragen zum Feminismus, zu Männlichkeit und der Rolle der Männer im Kampf für Gleichstellung und gaben Einblicke in ihre ganz persönlichen Beweggründe für ihr Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter. Das ausführliche Gespräch gibt es hier ungekürzt zum Nachlesen!

Gerhard Wagner (HeForShe Vienna) und Bernhard Maria Wimmer (HeForShe Graz)

Fast hat man das Gefühl, ein Trend, ein Hype ist entstanden. Ist das etwas Positives oder muss man es mit Vorsicht genießen, dass so viele plötzlich Feministen sind?

Beide: Grundsätzlich ist es toll, dass der Feminismus und damit das Thema Gleichstellung der Geschlechter aktuell von vielen Menschen und von vielen Seiten aufgegriffen wird. Das erzeugt auch mediales Interesse und gehört zu werden tut natürlich einer jeden Bewegung gut. Gerade eine gesellschaftliche Bewegung wie der Feminismus braucht auch eine breite gesellschaftliche Unterstützung, um nachhaltig erfolgreich sein zu können. HeForShe ist ja auch eine internationale Awareness-Kampagne und lebt somit davon, dass sich möglichst viele Menschen mit den Inhalten auseinandersetzen und die Kampagne unterstützen. Dennoch bringt jeder Trend auch die Gefahr mit sich, dass er instrumentalisiert werden kann und am Ende der Inhalt verloren geht. Was wir damit meinen ist, dass es auch Fälle gibt, in denen sich Menschen oder ganze Gruppierungen als feministisch bezeichnen, obwohl sie es in Wahrheit nicht sind. Manchmal geht es dabei bloß um Selbstinszenierung, um von dieser Welle der medialen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit profitieren zu können. Weitaus öfter fehlt es aber einfach an dem Bewusstsein, was Feminismus wirklich bedeutet. Nur weil ich gleiche Bezahlung für die gleiche Tätigkeit fordere, bin ich nicht automatisch feministisch unterwegs. Hier gilt es auch vorsichtig zu sein, damit ein Trend am Ende einer Bewegung nicht mehr schadet als er ihr nützt. Breites Interesse und mediale Aufmerksamkeit sind gut und wünschenswert, aber wir müssen auch aufpassen, dass die inhaltliche und sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema weiter im Vordergrund steht.

 

Wie bist du zu #heforshe gekommen, was waren die Beweggründe?

Gerhard: Die UN Women Kampagne HeForShe kam für mich zu einer Zeit, in der ich gerade intensiv am Überlegen war, wie ich meinen Beitrag zur Geschlechtergleichstellung leisten kann. Ich konnte ganz einfach nicht akzeptieren, dass geschlechtsbezogene Zuschreibungen und Erwartungen von Seiten der Gesellschaft über unseren Lebensweg entscheiden. Ich bin über Emma Watson auf die HeForShe-Kampagne aufmerksam geworden. Ihre Rede hat mich damals sehr beeindruckt und überzeugt hat mich dann die Botschaft hinter HeForShe: Gleichstellung ist kein Frauenthema, es geht uns alle an und deshalb müssen wir uns auch alle dafür stark machen. Dazu braucht es auch das Engagement der Männer. Ich habe HeForShe dann eine Weile intensiv verfolgt bis ich mich entschlossen habe aktiv etwas für die Kampagne zu machen. So entstand die Idee HeForShe in Form eines Vereins institutionell in Österreich zu verankern und der Kampagnenbotschaft hier in Wien und Österreich eine starke Stimme zu verleihen. Unsere Vereinstätigkeit haben wir im Februar 2016 aufgenommen. Unser Gründungsteam bestand damals aus etwa 15 Mitgliedern. Heute haben wir in etwa 120 Mitglieder und wir wachsen weiter. Das bestärkt mich darin, dass es viele Menschen in unserer Gesellschaft gibt, die gemeinsam etwas bewegen wollen.

Bernhard: Aus familiären Gründen liegt mir das Thema „Gewalt gegen Frauen“ schon lange am Herzen. Das brachte mich dem Feminismus näher. Im Laufe meines Studiums entwickelte ich langsam das Bedürfnis, mich in diesem Bereich einzubringen und etwas zu verändern. Ich wusste aber einerseits nicht wirklich, wie ich das anstellen sollte und wollte mich als Mann in diesem Gebiet auch nicht aufdrängen. Dazu kam auch das Gefühl, von Geschlechtskollegen deswegen schief angesehen zu werden. Im Jahr 2014, in Mitten meines Studiums, sprach dann die damalige Präsidentin des UN Women Nationalkomitee Österreichs an meiner Universität in Graz. In einer leidenschaftlichen Rede forderte sie Männer auf, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in diesem Gebiet bewusst zu werden und sich bei der Gleichstellung der Geschlechter aktiv einzubringen. Sie hielt fest, dass sich künftig auch UN Women stärker mit diesem Aspekt beschäftigen werde. Als ich im Herbst 2014 von der HeForShe-Kampagne erfuhr, wusste ich was gemeint war. Etwas später hörte ich, dass sich HeForShe Vienna gründete. Ich setzte mich mit dem Wiener Obmann in Verbindung und nach unzähligen E-Mails, Treffen und Gesprächen gründeten Kolleg*innen und ich im Sommer 2016 HeForShe Graz.

Welche Aktionen setzt ihr?

Gerhard: Wir sind sowohl online auf Facebook, Twitter und Instagram aktiv als auch offline in Form von Events und anderen Veranstaltungen. Neben den Inhalten und Informationen, die wir regelmäßig auf unseren Social Media Kanälen teilen, arbeiten wir auch mit gezielten Online-Kampagnen wie zuletzt unserem HeForShe Vienna Adventkalender. Offline organisieren wir unterschiedlichste Events, um so auch die verschiedenen Aspekte des vielfältigen Themas Geschlechtergleichstellung zu behandeln. So hatten wir im Herbst anlässlich des 3. Geburtstages der HeForShe-Kampagne eine viertägige Veranstaltungsreihe. Am 10. März diesen Jahres fand anlässlich des Internationalen Frauentags sowie unseres 2. Vereinsgeburtstags unser Cut The Gap! The Vienna Gender Equality Short Film Day statt, an dem ein engagiertes Team über ein Jahr lang geplant und gearbeitet hat. Neben all diesen selbst organisierten Kampagnen und Veranstaltungen sind wir auch bei anderen Events vertreten und vernetzen uns mit anderen Organisationen, um gemeinsam noch mehr bewegen zu können.

Bernhard: Unser Ziel ist es eine möglichst breite Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Zu Letzt konnten wir, in Zusammenarbeit mit dem UN Women Nationalkomitee Österreich und Soroptimist Österreich, die Stadt Graz dazu bewegen, an der UN-Kampagne „Orange The World“ teilzunehmen. Im Zuge dieser Kampagne werden weltweit während der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, Wahrzeichen in der Farbe Orange bestrahlt. Die Stadt Graz entschied sich, als erste Stadt in Österreich, diese Kampagne zu unterstützen und bestrahlte den Grazer Uhrturm ein ganzes Wochenende in Orange. Ein starkes Zeichen gegen Gewalt an Frauen, in der Stadt der Menschenrechte! In Wien wurde auf Bestreben des UN Women Nationalkomitee Österreich übrigens das Burgtheater in Orange bestrahlt. Unabhängig davon organisieren wir unterschiedliche Veranstaltungen, stellen die Kampagne an Universitäten und anderen Einrichtungen in Graz vor, durften schon Workshops mitgestalten und betreiben eine Facebook-Seite.

Welche positiven, welche negativen Reaktionen bekommt ihr?

Gerhard: Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv. Wir sind noch immer sehr beeindruckt wie schnell alles ging. Uns gibt es nun seit etwas mehr als zwei Jahren und wir haben in dieser kurzen Zeit schon sehr viel Publicity bekommen und sind als Verein gewachsen. Persönlich erhalte ich sehr positive Reaktionen. Viele Menschen sagen mir immer wieder wie toll sie es finden, dass es HeForShe nun auch in Österreich gibt und wie wichtig es ist, dass sich auch Männer einbringen und wir genau diesen Punkt aufgreifen und fördern. Selbstverständlich gibt es auch negative Reaktionen, die uns aber gleichzeitig als Feedback und Motivation dienen. Generell freuen wir uns immer über konstruktive Kritik und nehmen sie auch sehr ernst. Wir treten für Gleichstellung der Geschlechter ein und damit auch für einen gesellschaftlichen Wandel. Das bedeutet Veränderung und das erzeugt verständlicherweise bei vielen auch Verunsicherung. Diese individuellen Verunsicherungen und negativen Reaktionen lassen sich aber in Gesprächen in der Regel rasch aufklären. Mehr Sorgen bereitet mir da die negative Rückmeldung auf gesellschaftlicher Ebene in Form des Backlash in Sachen Geschlechtergleichstellung, der sich umso mehr durch den rechtspopulistischen Ruck in der Politik bemerkbar macht.

Bernhard: Absolut! Mir fallen in der Regel übrigens eher die negativen Rückmeldungen ein, wahrscheinlich, weil einem die länger in Erinnerung bleiben. Als wir beispielsweise anlässlich der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ Plakate in der Stadt aufhingen, ergaben sich öfters Streitgespräche, übrigens durchwegs mit Männern. Wir wurden dabei, teils sehr emotional oder auf ungute Art und Weise, mit unrichtigen Behauptungen konfrontiert, die zeigten, wie wenig das Thema Gewalt gegen Frauen als gesamtgesellschaftliches Problem erkannt wird. Dabei muss vollkommen klar sein, häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen ist alltäglich und findet in Mitten unserer Gesellschaft statt. Und zwar vollkommen unabhängig von Milieu, Bildungsstand, ethnischer Zugehörigkeit und jedweder anderen Herkunft!

Welche starken weiblichen Vorbilder hast/hattest du?

Gerhard: Viele. Angefangen bei meiner Mutter, meinen beiden älteren Schwestern, meiner Großmutter, bis hin zu meinen Freundinnen und Kolleginnen. Ich kann und möchte da auch keine Frau besonders hervorheben, dann alle hatten in irgendeiner Form einen prägenden Einfluss auf mich und das meine ich völlig unabhängig von meinem Engagement. All diese starken Frauen in meinem Leben haben sicher dazu beigetragen, dass ich sensibler für das Thema wurde, aber der Grund für mein aktives Engagement liegt in der viel tieferen Überzeugung, dass Geschlechtergleichstellung eine gerechtere Zukunft für uns alle verspricht. Wobei es mir auch ein wenig schwer fällt hier abzugrenzen was eine starke Frau ausmacht, denn im Grunde sind für mich alle Frauen stark, die sich in unserem patriarchalen System gegen die systematische Unterdrückung stellen und ihren Weg gehen.

Bernhard: Eines möchte ich vorweg generell hervorheben: Das patriarchale System strich in den letzten Generationen insbesondere männliche Leistungen hervor und negierte dabei weibliche. Das hat sich zwar etwas verändert, ist im Großen und Ganzen aber noch immer eher so. In Wirklichkeit finden sich meine persönlichen weiblichen Vorbilder in Mitten des Alltags, quer durch die gesamte Gesellschaft. Auch wenn es ein etwas klischeehaftes Beispiel ist, ich lernte bei meinem Studentenjob eine prekär beschäftigte Alleinerzieherin kennen, die, in einer kleinen Gemeindewohnung, ihre beiden Kinder großzieht und dort auch ihre schwer kranke Mutter pflegte. Das rang mir enormen Respekt ab und dient mir noch immer als Vorbild. Wenn ich in den letzten Monaten dachte ich sei überlastet, rief ich mir das in Erinnerung. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass Frauen wesentlich öfter armutsgefährdet sind bzw. in Armut leben als Männer. Meine Mutter, Tante und Großmutter, allesamt starke Frauen, dienten mir auf Grund ihrer Lebenswege übrigens auch als Vorbilder.

Angeblich ist die Zukunft ja weiblich – eine realistische Einschätzung oder noch lange Utopie? Was müsste sich ändern?

Beide: Um eine weibliche Zukunft zu erreichen müsste sich tatsächlich noch vieles von Grund auf ändern. Aber eine weibliche Zukunft bedeutet am Ende eine bloße Umkehr der Machtverhältnisse und der Unterdrückungsmechanismen. Unsere derzeitigen Probleme blieben damit erhalten, nur würden Mann und Frau die Plätze tauschen. Natürlich kann man jetzt auch sagen, dass dies nach all den Jahren männlicher Herrschaft nur gerecht wäre, aber das kann kein feministisches Ziel sein. Da sind wir ganz bei Johanna Dohnal. Wir wünschen uns, dass die Zukunft weder weiblich noch männlich ist sondern menschlich. Nur das bringt uns als Gesellschaft wirklich weiter.

Men of quality don't fear equality – ein bekannter Spruch. Warum haben manche trotzdem Angst oder lehnen Gleichberechtigung der Geschlechter ab?

Beide: Mit der Beantwortung dieser Frage wurden und werden ganze Bücher gefüllt. Grundsätzlich spielt immer die Unsicherheit vor Veränderungen mit. Es wird auch immer mit dem drohenden Verlust von Privilegien argumentiert, aber es ist weniger der Verlust dieser Privilegien als die Tatsache, dass für die meisten Männer ihre Privilegien nicht direkt sichtbar und spürbar sind. Zum einen denken sie bei dem Wort „Privilegien“ an die erfolgreichen und einflussreichen männlichen Player der Weltpolitik oder Wirtschaft, die sich alles erlauben und leisten können. Darin erkennt sich aber kaum ein Mann wieder. Zum anderen leidet das Gros der Männer ebenfalls unter verschiedensten Unterdrückungsformen und Ausbeutungsarten des Patriarchats. Viele leiden unter dem gesellschaftlichen Druck ein echter Mann sein zu müssen, was in diesem Fall heißt: erfolgreich sein, eine Familie ernähren können, keine Gefühle zeigen, Sexappeal ausstrahlen, ganz einfach ein klassisches Alphamännchen sein. Viele wollen das alles aber nicht. In beiden Fällen fühlen sie sich oft nicht privilegiert und können verständlicherweise nicht nachvollziehen, warum sie als die böse privilegierte Gruppe hingestellt werden. Sie fühlen sich unfair behandelt und das erzeugt dann Ablehnung. Natürlich profitieren wir Männer alle in einer gewissen Weise davon, dass unsere gesellschaftlichen Strukturen auf uns ausgerichtet sind. Wir haben bessere Chancen diese gesellschaftliche Idealvorstellung zu erreichen als Frauen. Aber wenn du diesem Ideal nicht entsprechen willst, dann fühlen sich diese Privilegien eher wie Ballast an und die Forderung nach Geschlechtergleichstellung wird plötzlich als Frauenförderung wahrgenommen und es kommt die logische Frage: „Na, und was ist mit mir? Wer setzt sich für mich ein?“

Wo muss unsere Gesellschaft einhaken, um es unseren Töchtern einfacher zumachen – und damit natürlich auch unseren Söhnen?

Beide: Da muss auf ganz vielen unterschiedlichen Ebenen etwas passieren, denn wir reden hier von einem strukturellen Problem, das ganz tief in unseren Gesellschaftsstrukturen eingebettet ist und über Jahrhunderte erwachsen und eingelernt wurde. Schon als Kleinkinder erlernen wir unsere Geschlechterrollen, indem wir entsprechende Signale und Botschaften von außen wahrnehmen. Gerade Spielzeuge, Märchen, Filme und insbesondere Werbung sind voll von Geschlechterstereotypen und haben einen prägenden Einfluss auf Kinder, die gerade lernen sich in dieser Welt zurechtzufinden. Diese erlernten Geschlechterrollen später wieder abzulegen erfordert sehr viel Reflexionsarbeit und ist alles andere als leicht. Deswegen sollten wir schon so früh als möglich ansetzen. In Wahrheit heißt das, dass wir schon bei den Eltern anfangen müssen mehr Bewusstsein und Sensibilität für das Thema zu erzeugen. In weiterer Folge ist das gesamte Umfeld gefragt: Familie, Kindergarten, Schule, usw. Schulbücher vermitteln viel zu oft überholte Rollenbilder und eine verzerrte Wahrheit. Starke Frauen sind in Schul- und Geschichtsbüchern, den Medien, den Nachrichten, der Politik, der Wirtschaft und in so gut wie allen anderen Bereichen unterrepräsentiert, obwohl es ausreichend starke Frauen gibt, die den jungen Mädchen hier als Vorbilder dienen könnten.

Warum ist Feminismus auch für Männer wichtig?

Beide: Weil Feminismus eine gerechtere und menschlichere Zukunft verspricht. Das bedeutet mehr Entscheidungsfreiheit und gleiche Chancen für alle. In dieser feministischen Gesellschaft können wir frei wählen, wie wir unser Leben gestalten wollen ohne gesellschaftliche Zwänge und Erwartungen. Wir haben dieselben Chancen und es steht uns offen, welche Chancen wir ergreifen und welchen Weg wir gehen möchten. Das bringt auch für Männer klare Vorteile, da insbesondere auch für Männer der Druck der gesellschaftlichen Erwartungen enorm ist. Nicht ohne Grund ist zum Beispiel die Suizidrate bei Männern so hoch. Fürsorglicher Vater, der sich für Haushalt und Familie entscheidet, karrierefokussierter Geschäftsmann, oder eine Mischung aus beidem. Feminismus schreibt uns nicht vor, wie wir sein sollen, sondern gibt uns die Chance so zu sein, wie wir sein wollen.

Der Pay Gap ist in Österreich noch enorm – wie und wo kann man ansetzen?

Beide: Eine grundlegende Voraussetzung ist sicherlich die Einkommenstransparenz, denn nur so kann ich feststellen, ob ich ungerechtfertigterweise zu wenig verdiene. Aber auch bei Personalbeschaffungs- und Personalauswahlprozessen können Unternehmen einiges tun, um einer Diskriminierung vorzubeugen. Klar und transparent geregelte Entlohnungssysteme und Gehaltserhöhungsprozesse sind auf unternehmerischer Seite ebenso wichtige Schritte hin zu einer gleichen Bezahlung. Flexible Arbeitszeitmodelle können helfen den Anteil von Frauen in Teilzeit zu senken und die negativen Auswirkungen der Teilzeitmodelle zu vermeiden. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gilt es aber auch Berufsfelder und Tätigkeiten aufzuwerten. Pflege, Erziehung und viele andere Dienstleistungssektoren, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind, werden viel zu schlecht entlohnt und das, obwohl sie entscheidend dazu beitragen, dass unser System überhaupt funktionieren kann.

Halbehalbe im Haushalt und bei den Kindern – für dich denkbar? Wenn ja was erledigst du zuhause alles?

Gerhard: Ja, absolut. Es muss nicht unbedingt immer exakt halbehalbe sein. Es kann ja durchaus vorkommen, dass die eine Seite lieber putzt und handwerkt und die andere das nicht so gerne macht und dafür einen größeren Anteil bei der Kinderbetreuung oder anderswo übernimmt, aber auf jeden Fall sollten unbezahlte und bezahlte Arbeit gleichmäßig aufgeteilt werden. Hier eine fixe Vorgabe zu machen ist widersinnig, denn am Ende muss es für die in einem Haushalt lebenden Menschen gerecht sein und passen, das ist immer subjektiv. Ich mache im Grunde alles. Ich koche, backe, putze, wasche, bügle, nähe meine Knöpfe an, putze meine Schuhe, stopfe Löcher in meiner Kleidung, mache den Einkauf, genauso wie ich handwerkliche Arbeiten erledige. Ich habe selbst noch keine Kinder, doch ist es für mich selbstverständlich mich auch bei der Kinderbetreuung gleichwertig einzubringen, denn ich möchte mir später niemals selbst den Vorwurf machen müssen, irgendwann nicht ausreichend für meine Familie dagewesen zu sein. Ich habe vier kleine Neffen und sooft ich kann versuche ich so viel Zeit als möglich mit ihnen zu verbringen, denn das sind ganz einfach Dinge, die man nicht einfach zu einem späteren Zeitpunkt nachholen kann. Da möchte ich dabei sein. All das gehört für mich aber ganz einfach dazu, da denke ich nicht lange darüber nach und vor allem mache ich das von selbst, ohne dass mich davor jemand darum bitten muss. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt, denn selbst in Haushalten, in denen die Tätigkeiten gleichmäßig aufgeteilt sind, liegt es oftmals noch immer an der Frau alles zu koordinieren und den Mann daran zu erinnern, was er denn bitte alles machen soll, um seine Hälfte der Arbeiten zu erfüllen. Dieses Managen der Hausarbeit ist aber ein enormer zusätzlicher Arbeitsaufwand, der unsichtbar bleibt und schnell für Frustration sorgt. In Projektteams ist es ähnlich. Wenn du als Führungskraft jedes Teammitglied laufend darum bitten musst den nächsten Arbeitsschritt zu erledigen, dann ist das wahnsinnig mühsam, zeitaufwendig und nervenaufreibend. Am Ende bist du so frustriert, dass du erst wieder alles alleine machst. Das ist nicht zielführend. Viel besser funktioniert das Team, wenn alle erkennen was zu tun ist und die Arbeit von selbst erledigen. Genauso ist es gewissermaßen auch im gemeinsamen Haushalt.

Bernhard: Na klar, für mich ist das doch selbstverständlich. Wobei das vielleicht auch daran liegen mag, dass ich in einer WG lebe. Da ist es ohnehin so, dass man sich den WG-Haushalt aufteilt. Warum soll das also anders sein, wenn ich mal mit meiner Partnerin zusammenwohne? Mit dem Thema Familienplanung möchte ich mich im Detail zwar erst in rund 10 Jahren befassen, aber klar ist für mich, dass ich in jedem Fall eine präsente Vaterrolle übernehmen möchte. Ich weiß zumindest schon sehr genau, wie ich meine Vaterrolle nicht anlegen werde. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist es für mich, den Kindern zu zeigen, wie ein ausgeglichenes Zusammenleben im eigenen Haushalt funktioniert. Hier fällt mir Marcus, ein guter Freund aus Göteborg ein, als ich ihn vor einigen Jahren das erste Mal besuchte, fiel mir auf, dass es dort vollkommen üblich ist, Männer zu sehen, die gemeinsam mit ihren Kumpeln und ihren Kindern in der Altstadt unterwegs sind. Ein Bild, das ich so aus Österreich überhaupt nicht kannte und kenne. Als ich Marcus drauf ansprach, war er etwas verstört und fragte mich was daran so speziell sein soll. Für ihn war es vollkommen alltäglich, dass man mit kleinen Kindern und männlichem Freundeskreis unterwegs ist. Diese Aufteilung des Haushalts und der Kinderbetreuung, hinterlässt mit Sicherheit einen bleibenden Eindruck auf Kinder. Egal ob Mädchen oder Bub. Es dekonstruiert die teilweise absurden Rollen, welche Geschlechtern durch die Gesellschaft zugewiesen werden. Zur Frage was ich alles erledigen würde, ich würde mal sagen, was so anfällt. Ich glaube es ist wichtig, sich so etwas im Einzelnen genau auszusprechen und eben sinnvoll aufzuteilen.

Was bedeutet Männlichkeit für dich?

Gerhard: In einem Wort: Vielfalt. Es gibt unzählige Formen von Männlichkeit. Vermutlich genauso viele wie es Männer gibt. Deshalb fällt es mir auch schwer Männlichkeit für mich zu definieren. Ich verbinde mit dem Begriff meist die gesellschaftlichen Zuschreibungen und Erwartungen, die an Männer gestellt werden. Wenn ich „männlich“ höre oder auf Formularen lese, dann denke ich an unzählige Adjektive und Eigenschaften, die im Grunde alle in diesem einen Wort „männlich“ stecken. Männlich ist für mich mehr als eine biologische Beschreibung. Es sagt viel mehr aus, weil viel mehr im Hintergrund mitschwingt. Deshalb vermeide ich es in der Regel mich als „männlich“ zu bezeichnen, da beschreibe ich mich viel lieber mit ganz vielen anderen Adjektiven und noch viel lieber beschreibe ich mich durch mein Verhalten und meine Taten.

Bernhard: Primär bedeute es für mich angestrengt davon zu sein, was damit assoziiert wird. Es ist wirklich anstrengend, wenn mir auf Grund meines Geschlechts gewisse Interessen oder Eigenschaften zu geschrieben werden. Ich finde beispielsweise Fußball in der Regel echt vollkommen uninteressant. Eine richtige Qual ist es für mich übrigens, wenn mich mein Freundeskreis zum Fußballschauen einlädt und sich die geballte männliche Fussballexpertise meiner Freunde und Bekannten in Zustimmungs- oder Entrüstungsrufen entlädt, wenn irgendwer am Feld irgendwas macht. Bin ich nun unmännlich, weil ich Fußball in der Regel langweilig finde und nicht weiß welcher Spieler um viel zu viel Geld an welchen Verein verkauft wurde, oder mit Autos nichts anfangen kann? Andererseits nimmt mich ein guter Freund hin und wieder zum GAK-Fußballplatz mit. Macht immer richtig Spaß dort, obwohl ich in Wirklichkeit keine Ahnung hab, was dort im Detail vor sich geht. Oder mein altes Puch Motorrad Baujahr 1955, eine echte Leidenschaft von mir, da schraub ich gern dran rum und mach mir nebenbei ein Bier auf. Macht mich das wieder männlicher? Ich habe überhaupt keine Lust mich mit solchen Zuschreibungen zu befassen. Der Punkt ist: Jeder soll die echte Freiheit besitzen, zu entscheiden, was in seinem Leben wichtig ist. Unabhängig von männlich oder unmännlich. Was bedeutet Männlichkeit schon? Außer einem Stereotyp zu entsprechen?

Braucht es für Männer neue Vorbilder und Role-Models? Welche könnten das sein?

Beide: Ja und nein. Nicht unbedingt neue, denn es gibt bestimmt schon einige Männer, die sich im Sinne des Feminismus und der Gleichstellung als Vorbilder und Role-Models eignen. Aber es braucht bestimmt auch noch mehr davon. Es kommt auch immer darauf an, welche Dinge man von Role-Models aufgreift und übernimmt. Am besten wäre es, wenn wir selbst alle zu den Role-Models werden, die wir uns wünschen.

Schon Grönemeyer wollte es wissen: Wann ist ein Mann ein Mann?

Gerhard: Biologisch gesehen ist das wesentlich einfacher zu beantworten als gesellschaftlich. Grönemeyer verweist ja mit seiner Aufzählung an Eigenschaften gewissermaßen auch auf die Vielfalt unterschiedlicher Männlichkeiten. Ich würde sagen für mich ist eine Person ein Mann, wenn sie sich selbst als Mann definiert und bezeichnet. Damit weiß ich dann zwar noch immer nicht, was das in diesem konkreten Fall tatsächlich bedeutet und was diesen Mann ausmacht, aber das werde ich dann schon erfahren, indem ich nachfrage und ihn kennenlerne. Da muss ich den Herrn Grönemeyer enttäuschen, aber ich glaube er weiß selbst, dass dies eine Frage mit unendlich vielen Antworten ist.

Bernhard: (Lacht) Ein deutscher Kabarettist, meinte dazu mal in Richtung Grönemeyer: „Ej wenn Du nichts mehr zu tun hast, stellst du solche Fragen.“ Wobei man das Lied vielleicht im Lichte der Zeit interpretieren sollte, auch wenn es wohl eher nicht als Kritik an hegemonialer Männlichkeit gemeint war. Klar ist, es gibt auf diese Frage wohl keine einheitliche Antwort. Ich finde Gerhards Ansatz ziemlich treffend. Eine verallgemeinernde Zuschreibung von männlichen Attributen, wäre die genau umgekehrte Stoßrichtung die HeForShe möchte.

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